Mehrere unabhängig voneinander agierende Aktionsgruppen bringen seit
heute Morgen das deutsche Autobahnnetz an seine Belastungsgrenze.
Zeitgleich mit anderen Aktivist*innen seilten sich auch in Kassel einige
Personen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung mit Spruchbändern von einer Brücke am Autobahnkreuz A7 und A49 ab. Weitere Personen sorgen für die Sicherheit der Kletternden und übernehmen die Kommunikation mit den Einsatzkräften der Polizei vor Ort.
Mit der Aktion wollen sie Druck auf die Landesregierung und
gesellschaftliche Diskurse ausüben. Sie fordern, wie zuletzt, den
Ausbau-Stopp der A49 und ein Ende der Rodungen im Dannenröder Wald.
Eine umfangreiche und nachhaltige Verkehrswende erfordere angesichts des globalen Klimanotstands schnelle und einschneidende Maßnahmen zu Lasten der Automobilindustrie und des motorisierten Individualverkehrs, so die Kernaussage der heutigen Aktion. Es ginge nicht allein um die vielen Unfälle im Straßenverkehr – nein, die Verkehrswende sei vor allem Teil eines gesellschaftlichen Wandels, dem die gesamte Menschheit
unausweichlich ins Auge blicken müsse.
Die Zerstörung der Erde und ihres Klimas sei zu weit voran geschritten.
Die völlig gedankenlose Produktion von Gütern und das permanente Streben nach Wachstum seien hauptsächlicher Grund für diese nahende Katastrophe.
Motorisierter Individualverkehr sei nicht nur ein Beispiel für die
Entfremdung der Gesellschaft untereinander, sondern auch für die
gedankenlose und verschwenderische Wirtschaft – die Folgen dieser
unverhältnismäßigen Gewohnheit müssten heutige und zukünftige
Generationen von Lebewesen, vor allem im globalen Süden, tragen.
Daher sei es auch nicht richtig, auf die egoistische und
nachvollziehbare Stimme der Gewohnheit zu hören. Auch wenn sozialer
Wandel akut viele Menschen belasten und verärgern würde – die Meinung
von deutschen Autofahrer*innen sei eben nicht gleichberechtigt mit den
schwerwiegenden Sorgen unserer Erde. Unter anderem dieser Vergleich
würde durch die heutige Versammlung symbolisiert.
Schon in den vergangenen Wochen hatten Abseilaktionen an Autobahnbrücken wiederholt für Aufsehen in überregionalen Medien gesorgt. Schon vor Wochen sind mehrere Personen in Untersuchungshaft gekommen, von denen noch immer 7 in Gewahrsam sind, obwohl zahlreiche Jursit*innen und die Staatsanwaltschaft Gießen keine Straftatbestände erfüllt sehen. Es gehe den Demonstrierenden nicht um Selbstdarstellung oder jugendlichen Leichtsinn, stellen sie klar. Kriminalisierung und Einschüchterung seien daher auch keine wirksamen Mittel, um den verzweifelten Protest für Klimagerechtigkeit zu schwächen. Nur ein ernsthafter, sozialer Veränderungsprozess könne das.
“Wir sehen überall, wie demokratische Strukturen immer dann versagen,
wenn es der reichen Industrie an den Kragen geht. Dagegen haben wir nur unsere Grundrechte und den Widerstand der breiten Zivilgesellschaft in der Hand.” meint Regina Sauer, die an der heutigen Versammlung beteiligt ist. “Und mit ‘Industrie’ meine ich keine Einzelpersonen.
Machtmissbrauch und Willkür sind keine schlechten Angewohnheiten
bösartiger Menschen – sie sind die logische Folge hierarchischer
Strukturen.”
Die heutige Aktion habe darüber hinaus auch einen konkreten Ortsbezug:
sie sei eine direkte Antwort der Beteiligten auf die kürzlich vom
Regierungspräsidium Kassel erlassenen Versammlungsverfügungen für
angemeldete Autobahn-Demonstrationen. Diese hätten Versammlungen
verboten, die noch wenige Wochen zuvor im selben Format erlaubt worden seien. Auch darin sehen Beteiligte der Aktion eine bewusste und
unverhältnismäßige Verhinderung – selbst von legalen Protestformen. “Wir lassen uns aber nicht von der Straße drängen – das sind wir ja vom
täglichen Autoverkehr schon gewohnt.” Die Beschneidung des legalen
Protestes zeige überdeutlich, dass die Relevanz der Thematik nach wie
vor unter den Tisch gekehrt würde, so Regina Sauer. “Ihr habt es nicht
nötig, zu kooperieren?” fragt Simon Volkers, Anmelder der Fahrraddemos
von Kassel in den Danni und Unterstützer der heutigen Aktion, das
Regierungspräsidium. “Dann eben nicht. Wie ihr seht, führt das aber nur
dazu, dass wir auch nicht mehr verhandeln!”
Ein Video, welches die Aktionsform erläutert, ist unter https://youtu.be/7-vAZu1T2k4 zu finden. Bilder und O-Töne daraus dürfen, soweit sie nicht erkennbar aus externen Quellen stammen, frei verwendet werden.
Berichte, Infos und die neuesten Entwicklungen aller Aktionen findet ihr
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