Überfünfzigjährige Aktivist*innen sagen die IAA ab!
Am heutigen Tage beginnt die Internationale Automobilausstellung (IAA) in München und damit wird auch der Protest dagegen eingeläutet. So seilten sich kurz nach 8:00 Uhr Aktivist*innen auf einer Brücke über der A92 ab. Ein Transparent erklärt, dass die IAA abgesagt und der Motorisierte Individualverkehr (MIV) abgeschafft werde.
An mehreren Stellen in und um München werden bereits heute von unabhängigen Verkehrswende-Initiativen Aktionen durchgeführt. „Da bereits vor zwei Jahren die IAA in Frankfurt von vielen Protesten der Klimagerechtigkeitsbewegung begleitet wurde, wurde offensichtlich in diesem Jahr versucht, der Ausstellung einen Anschein von zukunftsfähiger Mobilität zu verleihen. Aber das Motto „what will move us next“ lautete besser „what will kill us next“, solang der Motorisierte Individualverkehr nicht abgeschafft wird – egal mit welchem Antrieb“ so eine über fünfzigjährige Frau, die zusammen mit mehren älteren Menschen die Banner-Aktion auf der A92 durchführte.
Am 9. August 2021 ist der erste Teil des neuen IPCC-Berichts erschienen. Er zeigt: Die menschgemachte Klimakrise hat bereits weltweite und weitreichende Folgen. Das 1,5 Grad Limit nicht zu überschreiten wird extrem schwierig und kann nur gelingen, wenn jetzt sofort Maßnahmen ergriffen werden. Diese Maßnahmen erscheinen inzwischen sehr drastisch, sie werden aber leider immer drastischer sein müssen, umso länger wir zögern. Das was dieses Jahr auf der IAA gezeigt wird, wäre vielleicht vor 40 Jahren angemessen gewesen, wenn wir uns einen schleichenden Prozess hätten leisten wollen. Leisten wir uns das Schlafwandeln, ereichen wir die 1,5 Grad bereits 2030.
„Wir haben den Bericht des IPCCs verstanden und wollen mit gutem Beispiel vorangehen. Wir möchten andere, ältere Menschen animieren, sich nicht länger ihrer Mitverantwortung zu entziehen. Lasst uns Aktionen – so wie wir – zusammen mit den jungen Menschen machen,“ erklärt eine*r der alten Aktivist*innen, „und unser Vorteil: So leicht lassen wir uns nicht kriminalisieren, so leicht lässt sich uns nicht vorwerfen, wir seien arbeitsscheues Gesindel. Wir schauen auf ein langjähriges Arbeitsleben und mussten teilweise extra Urlaub nehmen. Einige von uns haben erst spät verstanden, dass es in diesem zerstörerischen System keine echte Nische gibt, kein richtiges Leben im falschen und sind dann ausgestiegen. Der Vorwurf „geht mal arbeiten“ der uns z. B. bei Fahrraddemos von dem ein oder anderen Balkon entgegenschallt ist jedenfalls lächerlich. Wir sind ja gerade am Arbeiten: Das Abseilen von Brücken ist anstrengend. Wir würden lieber mit unseren Enkelinnen in den letzten halbwegs gesunden Mischwäldern spazieren gehen. Aber die werden ja abgeholzt für Autobahnen, um mehr Platz für anachronistischen Individualverkehr zu schaffen. – Also, raus aus der Komfortzone und rein ins Klettergeschirr oder was du sonst so drauf hast und beisteuern kannst. Es geht. Und quietschen auch die Kniescheiben etwas: Was gar nicht funktioniert, ist, die beginnende Klimakatastrophe am Bildschirm zu verfolgen, die Mitverursachung zu leugnen und unsere Kinder ins offene Messer laufen lassen!“
Eine jüngere Stimme aus der Gruppe setzt noch nach: „Trotz Nachbesserung beim Klimaschutzgesetz versagt der deutsche Staat unablässig, wenn es um den Schutz unserer Lebensgrundlagen geht, wodurch wir uns zum Handeln in dieser Protest-Form gezwungen sehen. Dies ist sogar eine gesetzlich legitimierte Vorgehensweise nach dem Grundsatz des rechtfertigenden Notstandes, was in der Schweiz bereits Gerichte bestätigten.“ Siehe: „Klimaaktivisten nach Protestaktion bei der Credit Suisse in Lausanne freigesprochen“. Auch für Deuschland ist so ein Urteil längst überfällig.“
Die Solidarität der Brückenaktivistis gilt deshalb auch dem Klima-Hungerstreik der letzten Generation vorm Bundestag in Berlin.
Die Aktivist*innen fordern:
– den sofortigen Stopp von Herstellung/Verkauf von Fahrzeugen, die fossile Energien benötigen,
– den sofortigen Stopp des Ausbaus von Autobahnen und Bundesstraßen,
– den sofortigen Stopp von klimaschädlichen Subventionen beim Verkehr und anderswo,
– die Reaktivierung und Erweiterung des Bahnnetzes und des ÖPNVs,
– eine Anpassung der Straßenverkehrsordnung, die Kommunen bei der Umsetzung der Verkehrswende hin zu einer Fußgänger*innen- und fahrradfreundlichen Kommune unterstützt
– die Stärkung der Regionen im Rahmen der Politik der kurzen Wege.