Am 20.04.2023 fand der erste Verhandlungstag wegen der Abseilaktion über der A92 statt. Da ein Termin nicht ausreichte geht die Verhandlung nun am 05.05.2023 weiter (einer Einstellung die vorher im Raum stand stimmte die Generalstaatsanwaltschaft nicht zu). Am 03.05.23 hat die Gruppe von der A94 ihre Verhandlung vor dem Amtsgericht Ebersberg.
Hier folgt nun der Prozessbericht der A92 Verhandlung vom 20.04.23:
Bericht 1. Prozesstag 20.04.2023 – Abseilaktion über A92 zum
Auftakt der IAA
Während der IAA*¹ 2021 hatten sich, neben vielen anderen Aktionen, 5 Gruppen zum Auftakt der IAA von 5 verschiedenen nach München reinführenden Autobahnen abgeseilt.
Nun haben die Prozesse begonnen, es gab bereits eine nicht rechtskräftige*² Verurteilung und eine ausgesetzte Verhandlung. Am 03.05. hat eine weitere Gruppe eine Verhandlung.
Schon vor dem Termin war klar: das werden wir nicht an einem Verhandlungstag schaffen, das Gericht hat nur einen Termin angesetzt für welchen aber 10 Zeugen geladen sind – dass diese dann auch noch gründlich befragt und zur Verteidigung noch Beweisanträge* 8 gestellt werden liegt außerhalb des Horizontes des Gerichts. Somit endete der heutige Verhandlungstag um 17:45 nach einer langwierigen Terminfindung für einen Folgetermin, welche Richterin Mey vollkommen verzweifelt hatte, weil sie nicht Aussetzen noch einen Schiebetermin machen wollte. Letzendlich wurde ein Folgetermin gefunden für den 05.05.23 am AG* 5 Freising, eine Pflichtverteidigung muss ausgetauscht werden da sie an dem Termin verhindert ist.
Das selbe passierte auch mit einer Verhandlung wegen der Abseilaktion über der A9 kurz zuvor am selben Amtsgericht (andere Richterin) diese wurde jedoch ausgesetzt.
Nach doppelten gründlichen Sicherheitskontrollen (vor allem auf Sekundenkleber hatten sie es abgesehen) blieb eigentlich nichts mehr übrig was Angeklagte noch mit in den Sitzungssaal nehmen durften.
Zu Beginn wurden zwei Erklärungen verlesen zum Thema IPCC*³ und diversen anderen wie Kritik an der Autoinfrastruktur und an dem Schutz des Weiter-so im Verkehrssektor durch Bundeskanzler Scholz. Desweiteren erhielt eine der Angeklagten nach Zweifeln der Staatsanwaltschaft noch eine Laienverteidigung* 4 in Gemeinschaft mit der Pflichtverteidigung.
Die Pflichtverteidigung wurde seitens der Angeklagten im Vorhinein beantragt, erst vom Amtsgericht abgelehnt, doch dann hat das LG* 5 nach einer sofortigen Beschwerde die Pflichtverteidigung angeordnet, so das alle der Angeklagten in dem Prozess eine Pflichtverteidigung hatten. Im Folgenden prägten eher die Verteidiger*innen den Prozess und planten die Strategie, die Angeklagten nahmen sich selten das Wort, was aber auch abgesprochen und einvernehmlich war im Großen und Ganzen.
Der bereits bekannte Antrag auf Nichtverlesung der Anklageschrift wurde gestellt und durch einen der Verteidiger*innen damit ergänzt, dass die Ausdehnung des Gewaltbegriffs der den Anklagen wegen Nötigung von Abseilaktionen zugrunde liegt so in anderen EU-Ländern nicht existiert, es
hätte ein Vorabentscheidungsverfahren nach 267 AEUV geben müssen, die Versammlung würde als unfriedlich diffarmiert werden was sie nach EMRK nicht wäre (entschuldigt diesen Fachjargon! Doch diese Details zu erklären würde den Rahmen eines kurzen Prozessberichts sprengen, zumal das Autori selber sich damit nicht auskennt).
Angeklagt waren drei Personen die sich auf der Brücke über der A92 befunden haben und nach
Anklageschrift Mittäter*innen nach §25 I Alt. 2, II StGB* 6 sind bei einer Nötigung. Die beiden Personen die sich abgeseilt haben waren zu dem Termin nicht geladen, da sie sich momentan dauerhaft im Ausland befinden. Es drehte sich also viel um die Frage, was der Tatbeitrag der drei Personen war, nach Anklageschrift hätten sie „gesichert“. In der Zeugenbefragung der Polizeizeug*innen konnten viele dazu nichts
sagen, andere erinnerten sich dass ein Müsliriegel runter gereicht wurde und sich ab und zu Unterhalten wurde, bei einer Person machte es den Anschein als würde sie aufpassen dass die Sicherung nicht manipuliert wird. Ein/e Entscheidungsträger*in oder Einsatzleiter*in hat sich unter den Polizeizeug*innen nicht befunden, sie waren größtenteils auf der Brücke gewesen. Von einer Versammlungsauflösung hat niemand berichtet, auch was die Gründe waren die Sperrung einzurichten hat niemand berichtet.
Gefahren die von den Versammlungsteilnehmerinnen auf den Verkehr ausgingen wurden auch nicht berichtet oder einer Gefahr in der sich die Versammlungsteilnehmer*Innen befanden. Die Kletterausrüstung hätte professionell ausgesehen. Eine der Personen wollte wohl eine Versammlung
vor Ort anmelden. Den dreien wurden wohl später Platzverweise erteilt. Bis zur Sperrung floss der Verkehr wohl normal. Es gab unterschiedliche Meinungen dazu, wo über der Fahrbahn die abgeseilten Personen hingen… Apropos: die Zeugen konnten sich erstaunlich gut an die Angeklagten erinnern, mit Gesicht und Namen.
Zwischendrinne gab es immer wieder kleine Streitereien mit der Richterin, welche aber im Vergleich zu Anderen noch recht ruhig war. Ein Vorfall war, dass die Richterin die Verteidigung in der Befragung unterbrach, nach mehrmaligen Hinweisen im Wortgefecht, dass es unzulässig ist der
Verteidigung das Wort zu entziehen außer es handelt sich um rechtliche/ sachliche Gründe. Der daraufhin formulierte Befangenheitsantrag* 7 wurde von der Richterin als unzulässig verworfen, da er nur der Prozessverschleppung diene.
Als die Richterin um zwei Uhr immernoch keine Mittagspause vorschlug zeichnete sich ab, dass sie immernoch plant es an einem Tag durchzuziehen. Es wurde dann eine Pause vereinbart wo die Richterin es nochmal damit probierte eine Frist zum Beweisanträge einreichen aufzustellen bis 15:00, welcher widersprochen und dann auch doch nicht eingehalten wurde.
Es wurden dann noch 3 Personen vernommen welche sich im Stau befunden hatten. Zwei davon waren mit ihren Kindern auf dem Weg ins Legoland und brachen ihre Reise dann ab wegen dem Stau, das Geld für die Tickets sei verschwendet gewesen und für die Kinder sei es miserabel gewesen im Stau zu stehen, sie standen ca. 2h. Ein anderer hatte einen Dienstausfall, genaue Zahl wurde nicht genannt.
Später ging es noch um den Streitpunkt ob „Chatprotokolle“, das waren Twitter Beiträge die sich in der Akte befanden, in Augenschein genommen und Verlesen werden dürfen. Der Verlesung wurde widersprochen, da nicht ersichtlich ist, wer diese Chatprotokolle wie in die Akte gebracht hat und so
nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie manipuliert wurden.
Auch der Beweisverwertung der Aussagen eines Polizisten wurden widersprochen, welcher wohl eine der Abgeseilten aber nicht im hiesigen Verfahren angeklagten Personen vernommen hatte, die wohl auf der Wache erst meinte, dass sie keine Angaben zur Sache machen wollte und dann doch in ein Gespräch verwickelt wurde. Der Zeuge wurde natürlich trotzdem gehört.
Eine der Zeug*innen, welche auch tatsächlich an der Sperrung beteiligt war, war ohne Attest nicht erschienen. Die Richterin war dann der Meinung, dass sie nicht notwendig ist, die Verteidigung widersprachen und meinten, dass sie hätten verzichten müssen.
Zuletzt stellte dann einer der Verteidiger*innen einen Schwall an Beweisanträgen* 8 (Themen waren die bereits bekannten: Rettungsgasse, Standstreifen, Rettungsgassen Poster an anderen Brücken, Sticker abkratzen von Autobahnschild/oder Reparaturarbeiten an Brücken über laufendem Verkehr, keine Anhaltspunkte für Gefahren, Verkehr floss normal bis gesperrt wurde, keine unfriedliche Versammlung, Alternativen zu Stau, Position der Abhänger…) Die StA* 9 meinte, dass einige als
wahr unterstellt werden können, einige hätten nichts mit der Sache zu tun, wären nur Beweisermittlungsanträge oder Rechtsfragen.
Dies brachte dann letzendlich die Pläne der Richterin zum stürzen es an einem Tag durchzuziehen, die anderen Verteidiger*innen hatten ihre Anträge noch garnicht gestellt. Es begann eine langwierige und verzweifelnde Verhandlung wann der nächste Termin angesetzt werden könnte, irgendwann wurde ernsthaft vorgeschlagen, an einem Samstag zu verhandeln:‘D oder direkt morgen.
Irgendwann wurde von der Verteidigung vorgeschlagen, dass das Verfahren ja auch einfach aus Opportunitätsgründen eingestellt werden könnte, die Angeklagten seien alle nicht vorbestraft. Das Gericht erwiderte darauf, dass eine Einstellung ggf. mit Auflage grundsätzlich infrage käme.
Die Staatsanwaltschaft müsse das erstmal wirken lassen und das intern absprechen, schließe es aber grundsätzlich nicht aus.
Hier noch ein Pressebericht von der Aktion:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/freising/freising-neufahrn-autobahn-a92-klimaaktivisten-internationale-autoausstellung-1.5811717
*¹ Internationale Automobilausstellung
*² wenn das Verfahren abgeschlossen ist, ist eine Verurteilung rechtskräftig. Wenn das Urteil noch angefochten wird
durch Berufung oder Revision, ist das Urteil nicht rechtskräftig
*³ Sachstandsbericht zur Klimaänderung des Welt Klimarates
* 4 Leute die keine Anwälte sind können vom Gericht als Verteidigung angenommen werden
(https://www.projektwerkstatt.de/index.php?p=10065)
* 5 AG= Amtsgericht LG= Landgericht. Das Landgericht ist das nächst höhere nach dem Amtsgericht
* 6 d.h. sie sind Mittäter und haben die Tat gemeinsam begannen, StGB= Strafgesetzbuch, da steht drinne was verboten
ist und wie es bestraft wird
* 8 Beweisanträge sind Anträge mit denen man bestimmte Tatsachen unter Beweis stellen will und dazu bestimmte
Beweismittel benennt, wie z.B.Zeugen, Fotos.. (https://www.projektwerkstatt.de/index.php?domain_id=1&p=10083)
* 9 StA= Staatsanwaltschaft