Das Amtsgericht Achim hat am 5. Verhandlungstag ein Urteil gesprochen, die Angeklagten wurden zu 70 bzw. 90 Tagessätzen wegen Nötigung verurteilt. Vorausgegangen war einiges hin und her, denn am Tag davor hatte es noch eine angemeldete Abseilaktion gegeben von der Brücke neben der Schilderbrücke, an der sich damals abgeseilt wurde.
Die Stadt Achim hatte die Abseilaktion, die schon einige Wochen vorher angemeldet wurde, zwar am Montag kurzfristig verboten, das Verwaltungsgericht am Dienstag die Aktion dann aber mit Verweis auf die Versammlungsfreiheit doch noch erlaubt und die Sperrung der Autobahn angeordnet (die Anmeldung der Abseilaktion sah diese bei laufendem Verkehr vor). Die Autobahn wurde also Mittwoch Mittag von der Stadt sehr kurzfristig gesperrt, zwei Personen seilten sich mit Transparent ab und die Besucher*innen eines nahen Baggersees freuten sich über die ungewohnte Stille. Am Ende des Staus kam es leider zu einem Autounfall. Dass es im Autoverkehr immer wieder Unfälle gibt und täglich in der BRD acht Menschen bei solchen Unfällen getötet werden, ist einer der Gründe, warum wir für eine Verkehrswende eintreten. Fahrten mit der Bahn sind nämlich nicht nur viel umweltfreundlicher, sondern auch sicherer.Am Donnerstag, 29.8. kam es dann zum letzten Verhandlungstag vorm Amtsgericht Achim in diesem Prozess (ein weiterer steht dort noch bevor). Bei den Einlasskontrollen war die übereifrige Polizistin W., die als Zeugin ausgesagt hatte, dabei weiter zu ermitteln und beschuldigte kurzerhand eine Besucherin tatbeteiligt zu sein und nahm die Personalien auf.
Die Richterin verlas die Ablehnungsbeschlüsse zu zahlreichen Beweisanträgen, im Wesentlichen hielt sie die alle für ohne Bedeutung und auch für irrelevant, wie die Polizei an anderen Orten bei anderen Abseilaktionen gehandelt hatte, weil nur der jetzige Fall von Bedeutung sein. Auch zwei aus aktuellem Anlass gestellte Beweisanträge zur angemeldeten Abseilaktion vom Tag vorher lehnte sie ab, weil sie nichts mit der damaligen Situation zu tun gehabt hätten, obwohl die gleichen Behörden zuständig waren, weil es um den nahezu identischen Ort ging. Das ist alles einigermaßen abstrus, zumal es in dem Prozess immer noch darum geht, dass den Angeklagten vorgeworfen wird, sie hätten die Reaktion der Polizei fest einkalkuliert – was wenn nicht andere Abseilaktionen und das Agieren der Polizei dort können diese Reaktionen denn einschätzbar machen? Zwei Personen aus dem Publikum, die ihren Unmut über diese Entscheidungen kund taten, warf die Richterin dann schlicht raus.
Der Staatsanwalt forderte in seinem Plädoyer acht bzw. neun Monate Haftstrafe auf Bewährung. Die Verteidiger*innen und der Angeklagte argumentierten dagegen.
Bei der Pause vor dem Urteil gab es vor dem Amtsgericht noch einen kleinen Tumult: Der Gerichtsdirektor wollte keine Menschen mit einem Transparent vorm Gericht stehen haben, die Justizwachtmeister forderten diese also auf sich zu entfernen. Die Demonstrierenden wiesen jedoch auf ihre Versammlungsfreiheit hin und so wurde die Polizei gerufen, die direkt mit vier Einsatzwagen anrückte, was dann wiederum die Presse aufmerksam machte. Bei der Polizei wurde dann direkt eine Versammlung angezeigt und die handelte schließlich mit dem Gerichtsdirektor den Kompromiss aus, dass 1 m auf dem Gelände vorm Gericht die Versammlung stattfinden dürfe (und damit im Schatten der Bäume an dem heißen Tag).
Dann ging es wieder rein ins Gericht, ein Befangenheitsantrag wegen dem Tumult draußen wurde kurzerhand als verspätet abgelehnt und die Richterin verkündete das Urteil: Die Vorwürfe wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung waren schon vorher fallen gelassen worden und auch einen besonders schweren Fall der Nötigung sah sie nicht. Verurteilt wurde trotzdem zu 70 bzw. 90 Tagessätzen je 10 Euro. Die Richterin hält anscheinend wie wir auch nicht viel von der Polizei und traut denen nicht zu, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Für die Richterin war die Polizei willenloses Werkzeug der Klimaaktivisti. Und natürlich könne kein Vergleich zur Aktion am Vortag gezogen werden könne (was die Presse auch nur schwer nachvollziehen konnte), denn auf einer Schilderbrücke haben Menschen nichts zu suchen haben, auf der Fußgängerinnenbrücke schon. Daher seien die beiden Versammlungen nicht vergleichbar und die Aktion von 15.04.21 wäre verwerflich. Die angemeldete Versammlung auf der Fußgänger:innenbrücke wäre sozialadaquat, die unangemeldete Versammlung auf der Schilderbrücke nicht. Wieder ein Beispiel für ein zurechtkonstruiertes Urteil, wurden doch auch Abseilaktionen von Brücken ähnlich verurteilt.
Der Angeklagte bezeichnete das Urteil als erwartbar bei der aktuellen gesellschaftlichen Stimmung. Die Verteidiger*innen legten direkt Rechtsmittel gegen das Urteil ein.