Ein Urteil und darf’s noch ein bisschen Ordnungsgeld sein?

Bild von Abseilaktion über A7 in Schleswig von Pay Numrich

Am 5. Januar ging es in den dritten und letzten Tag wegen der Autobahnabseilaktion über der A7 am Amtsgericht Schleswig. Der Prozesstag endete mit einer Verurteilung der Angeklagten zu je 60 Tagessätzen à 20 Euro. Hier folgt ein Bericht zum Tag sowie ein Spendenaufruf.

Der Prozesstag begann mal wieder mit Presse-, viel Polizei- und Justizgaufgebot. Sogar die Schuhe wurden durchsucht und auch im Publikum nahmen interessierte Justizangestellte teil, neben viel Presse. Auf solidarische Zuschauer*innen wurde wieder nicht gewartet, auch wenn diese rechtzeitig erschienen waren, einen entsprechenden Antrag ließ die Richterin gar nicht erst stellen sondern vertröstete auf später (richtig logisch).
Die Befangenheitsanträge wurden natürlich abgelehnt, der entscheidende Richter hielt es nicht mal für nötig, Richterin Frank zu ihrem Verhalten eine Stellungnahme abgeben zu lassen.

Danach wurden Entscheidungen zu allen bis dahin gestellten Anträgen verkündet (Bericht Tag 1 | Bericht Tag 2), die alle samt und sonders abgelehnt wurden. Weder erhielt die Verteidigung eine Abschrift ergangener Beschlüsse, noch wurde die Einlassverfügung aufgehoben oder sonst ein rechtswidriges Verhalten abgeändert. Auch die zahlreichen Beweisanträge wurden reihenweise abgelehnt mit der Begründung, dass ihnen nachzugehen, zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich wäre – kurzum das Gericht war zu faul sich mit den Konsequenzen von Klimawandel oder auch der Brückenhöhe auseinander zu setzen.

Es gab dann eine lange Pause, vier letzte schriftlich gestellte Beweisanträge (ein Vorlesen lies Richterin Frank nicht zu), die natürlich abgelehnt wurden als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich. Dann ging es in die letzte Phase mit Plädoyers. Der Staatsanwalt forderte 85 Tagessätze (eine gute Verdopplung der im Strafbefehl genannten 40 Tagessätze), stellte fest, dass ein Polizist eine Gefährdung durch Ablenkung der Autofahrer*innen sah und die Beamtin G. des Staatsschutzes gesagt hätte, auf der Autobahn „ging nichts mehr, der Verkehr stand still.“ Das, obwohl der Vekehr von der Autobahn abgeleitet wurde. Eine Rechtfertigung bestünde natürlich nicht und die Innenministerin habe schon recht, indem sie gesagt hätte, dass so etwas dem Anliegen Klimaschutz nur Schaden würde.

Die Verteidigung ging direkt darauf ein, dass hier die Nähe zum Innenministerium und die Beeinflussung offenbar groß seien und argumentierte, dass keine Nötigung vorliege, sowohl weil keine Gewalt ausgeübt worden sei, niemand im Weg hing, aber auch weil die Polizei sich nicht instrumentalisieren ließe sondern im Gegenteil ähnliche Aktionen andernorts bei fließendem Verkehr toleriert habe. Außerdem wurde noch ausgeführt, warum die Bedingungen für rechtfertigenden Notstand vorliegen und die Aktion nicht verwerflich sei – denn als eine friedliche Versammlung wären etwaige Umleitungen nur Nebenfolgen der Demonstration. Gefordert wurden dann Freisprüche, „nicht nur im Interesse der Angeklagten, sondern auch im Interesse kommender Generationen“ – wie ein Verteidiger betonte.

Auf den Applaus nach einem der Plädoyers aus dem Publikum wurden Menschen rausgesschmissen. Einer Person wurde es schließlich zu bunt, sie verabschiedete sich mit einem Konfetti-Regen aus dem Gericht und ging. 500 Euro Ordnungsgeld war das der Richterin wert.

Die letzten Worte der Angeklagten folgten und beschäftigten sich vor allem mit der Klimakrise, aber auch mit der Justiz. Diese Worte haben wir euch hier zum Lesen bereit gestellt haben, schaut gerne mal rein, es lohnt sich.

Als die Richterin den Saal zum Urteil betrat gab es wieder altbekanntes Spiel: Zwei Ordnungsgelder, diesmal glatt verdoppelt (also 400 Euro oder ersatzweise 8 Tage Knast) wurden verhängt weil zwei der Angeklagten sich weigerten, sich zu erheben. Als das Urteil verkündet worden war und diese nach der Aufforderung der Richterin sich wieder hinzusetzen, den Saal verließen um sich dumme Moralpredigten zu sparen, forderte der Staatsanwalt direkt ein weiteres Ordnungsgeld von 500 Euro – welchem die Richterin natürlich gerne nachkam. Worin auch immer die Ungebühr liegt, nach Verkündung des Urteils zu gehen und dabei nicht mal zurückgehalten zu werden.

Für alle gibt es 60 Tagessätze a 20 Euro, unabhängig davon ob sie an der Brücke hingen oder obendrauf standen nur zur Sicherung, alle schuldig, in großem Maße „sozialwidrig“ und gegen die „freiheitlich-demokratische-Grundordnung“, wie die Richterin in ihrer Begründung betonte. Die Polizei sei instrumentalisiert und als Tatwerkzeug benutzt worden. Es wurde also wieder mal „Recht gesprochen“ und Klimagerechtigkeitsaktivist*innen verurteilt. Viel Spaß bei euren nächsten Taten mit der Polizei als Hilfe!

Ob es in die nächste Instanz weiter geht ist noch unklar, am 16.1. wird erst mal in München verhandelt über eine ähnliche Aktion.

Prozesse und Strafen kosten leider Geld. Wir würden uns freuen, wenn ihr für Strafen, Gerichts- und Fahrtkosten ein paar Euro über habt, spendet die gerne hier:

Bild: Pay Numrich, 27.11.2020 A7 bei Schleswig

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Betreff: Antirep SH